Göttingen, den 28.05.2015
Das Amtsgericht (AG) Arnstadt hat heute einen 29-jährigen Mann aus Algerien von dem Vorwurf der Beleidigung von Bundespolizeibeamten freigesprochen (Az.: Cs 820 Js 36838/14). Der junge Mann aus Jena war am 07.09.2014 in einer Regionalbahn von Erfurt nach Würzburg anlasslos und offensichtlich ausschließlich wegen seiner Hautfarbe von zwei Bundespolizeibeamten kontrolliert worden. Als die Beamten dem Angeklagten keinen Grund für die Kontrolle nennen konnten, kritisierte dieser die Kontrolle als rassistisch und eschwerte sich im Anschluss in der Dienststelle des Bundespolizeireviers Meiningen über die Kontrolle.
Letztendlich fand sich der Betroffene aber selbst auf der Anklagebank wieder, da die Bundespolizeibeamten aufgrund des angeblichen Vorwurfs des Rassismus und der Ausländerfeindlichkeit“ Strafantrag wegen einer ehrverletzenden Beleidigung gestellt hatten. In der Hauptverhandlung relativierte der einzig geladene Beamte nun die Aussage des Angeklagten damit, dass nicht die Beamten selbst sondern auch die Kontrolle als solche als rassistisch und „ausländerfeindlich“ gemeint gewesen sein könnte. Das AG Arnstadt sprach den Angeklagten daher auch auf Antrag der Staatsanwaltschaft von dem Vorwurf der Beleidigung frei. Selbst wenn der Angeklagte die Äußerungen getätigt hätte, wären diese in den Kontext der Kontrolle zu stellen, daher von der Meinungsfreiheit gedeckt und nicht individuell beleidigend. Das Strafverfahren reiht sich ein in eine Vielzahl an Verfahren, die aktuell bundesweit wegen der als „Racial Profiling“ bezeichneten angeblich verdachtsunabhängigen Kontrollpraxis der Bundespolizei von Personen mit dunklerer Hautfarbe vor den deutschen Gerichten anhängig sind. Auch vor dem Verwaltungsgericht Dresden wird derzeit eine Klage des Angeklagten gegen die zuständige Bundespolizeidirektion Pirna mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Kontrolle verhandelt (Az.: 6 K 196/15). „Der heute zeugenschaftlich vernommene Beamte bat das Gericht mehrfach, die Fragen der Verteidigung zur Rechtsgrundlage der Kontrolle und diverse andere Fragen nicht Beantworten zu müssen, da die Antworten seiner Behörde in dem parallel geführten Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Dresden schaden könnten“ führt der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam aus, der den Angeklagten sowohl in dem Strafverfahren verteidigt als auch vor dem Verwaltungsgericht vertritt. Die Bundespolizei ist jedenfalls aktuell bemüht, jeden Anschein einer diskriminierenden Kontrollpraxis verhindern zu wollen. Dieses Bemühen geht sogar so weit, dass der Strafjustiz nur unvollständige Akten zur Verfügung gestellt werden: „Die Vermerke über die Beschwerde des Angeklagten selbst und damit seine Version der Ereignisse und Vermerke von Dienstvorgesetzten der Beamten über die Rechtsgrundlage der Kontrolle befindet sich bis heute nicht in der Ermittlungsakte“ so Adam weiter. Das Verfahren vor dem Strafgericht dürfte durch den heutigen Freispruch nun beendet sein. Die
Einzelheiten der umstrittenen Kontrolle werden allerdings vor dem Verwaltungsgericht Dresden in einem noch anzuberaumenden Verhandlungstermin weiter erörtert werden.