Beschwerdeinstanz für Opfer von Polizeigewalt eingefordert. Unverhältnismäßige Brutalität entspricht mancherorts offenbar der Gesetzeslage
Von Markus Bernhardt
Forderungen nach Einsetzung einer unabhängigen Kontroll- und Beschwerdestelle für Opfer von Polizeigewalt und zugleich für die Beamten selbst sind so neu nicht. Ist der polizeiliche Alltag doch nicht selten geprägt von einer Art Korpsgeist, der die Aufdeckung von Straftaten, die Ordnungshüter selbst begehen, deutlich erschwert. Nun wollen Teile von Bündnis 90/Die Grünen auf Bundesebene offenbar einen neuen Anlauf starten. Wie Spiegel online Ende der vergangenen Woche berichtete, hat die Bundestagsfraktion der Grünen dazu einen Gesetzentwurf erarbeitet, der vorsehe, endlich eine Ombudsstelle für die Polizeibehörden des Bundes einzurichten.
Überfällig und notwendig wäre die Einrichtung allemal. Sie scheiterte jedoch bisher am Widerstand der Polizeigewerkschaften und der Mehrheit der etablierten Politik. Hinzu kommt, dass auch die Grünen selbst sich zwar gern als Bürgerrechtspartei inszenieren, gerne aber ihre Forderungen, sobald sie in eine Landes- oder auch Bundesregierung eintreten, vergessen. So hatte die Partei etwa angekündigt, in Baden-Württemberg, wo die Grünen mit Winfried Kretschmann bereits seit 2011 den Ministerpräsidenten stellen, eine individuelle Kennzeichnung der polizeilichen Einsatzkräfte durchsetzen zu wollen, damit polizeiliche Gewalt- und Straftäter leichter identifiziert werden können. Darauf warten jedoch beispielsweise die Opfer des brutalen Polizeieinsatzes vom »Schwarzen Donnerstag« am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten bis heute vergebens. Zur Erinnerung: Damals waren die Einsatzkräfte mit brutaler Gewalt gegen die Gegner von »Stuttgart 21« vorgegangen, dem Umbau des Hauptbahnhofs von einem oberirdischen Kopf- zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof, und hatten mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern friedliche Demonstranten malträtiert und Dutzende von ihnen verletzt, einige schwer. Die Identifizierung der teils vermummten staatlichen Schläger war jedoch nahezu unmöglich und scheiterte auch am in den Polizeieinheiten vorherrschenden Zusammenhalt (jW berichtete).
Hinzu kommt jedoch auch noch ein ganz anderes Problem: So wird Polizisten während ihrer Ausbildung der Einsatz sogenannter Schocktechniken im Umgang mit vermeintlichen Delinquenten beigebracht. Sprich, der Einsatz polizeilicher Gewalt ist seitens der politischen Verantwortungsträger keineswegs unerwünscht. Ein Beispiel: Vor nicht einmal zwei Wochen wurde ein Polizist vom Landgericht Chemnitz vom Vorwurf der »Körperverletzung im Amt« freigesprochen, der in der Vergangenheit bereits mehrfach durch übertriebene Gewaltanwendung aufgefallen und deswegen auch schon verurteilt worden war. Der Beamte hatte am Rande antifaschistischer Proteste grundlos einem Schüler in den Bauch geboxt, der bereits abgeführt wurde und sich vollkommen friedlich verhielt. Der Richter begründete seinen Freispruch mit der Tatsache, dass der Polizist in Übereinstimmung mit dem gehandelt habe, was ihm als ordnungsgemäß beigebracht worden sei, und löste damit öffentliche Empörung aus.
»Wenn ein Schlag in die Magengrube damit gerechtfertigt wird, das sei nun mal die von der Polizei für solche Situationen eingeübte ›Schocktechnik‹, dann verabschiedet sich die sächsische Sicherheitspolitik von elementaren Grundsätzen des Rechtsstaates, zu denen das Deeskalationsprinzip im Versammlungsgeschehen gehört«, kritisierte etwa Klaus Bartl, sächsischer Landtagsabgeordneter und rechtspolitischer Sprecher der dortigen Linksfraktion, den Urteilsspruch. Diese Form der »Bearbeitung« eines nicht aggressiven, nicht flüchtenden Demonstranten könne in einem demokratischen Rechtsstaat kein ordnungsgemäßes polizeiliches Handeln sein. »Wer solches Verhalten gutheißt, ist nicht mehr weit davon entfernt, in anderem Zusammenhang – z. B. der Erlangung von Aussagen – Methoden zu legitimieren, die schlichtweg als Folter zu bezeichnen sind«, so Bartl weiter. Er kündigte an, den Innenminister in geeigneter Weise parlamentarisch dazu auffordern, hier als oberster Dienstherr der sächsischen Polizei für Abhilfe zu sorgen.