Aktivist*innen protestieren in Bremen gegen rassistische Polizeigewalt, insbesondere Racial Profiling. Sie fordern eine Beschwerdestelle.
Von Alina Götz
Mit einem Flashmob anlässlich des Internationalen Tages gegen Polizeigewalt störten Aktivist*innen am Freitag den abendlichen Verkehr im Bremer Viertel. „Stop Racist Police Violence“ stand auf den Schirmen, mit denen sie sich vor der Sparkasse am Sielwall aufgestellt hatten. Sie solidarisierten sich mit den „als anders Markierten“, schallte es aus dem Megafon.
Dieses Jahr richtet sich der Protest der Beteiligten vor allem gegen rassistische Polizeigewalt. Die Aktivist*innen kritisierten besonders das sogenannte Racial Profiling, erklärt Dennis Brandt von der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), welche die Aktion in Bremen initiiert hatte. „Wir fordern unter anderem eine unabhängige Beschwerdestelle für Opfer dieser Praktik.“
Racial Profiling ist ein Ermitteln durch die Polizei aufgrund von äußerlichen oder zugeschriebenen Eigenschaften einer Person, erläutert der Kriminologe Martin Herrnkind von Amnesty International: „Menschen werden als anders markiert, diese Zuschreibungen führen zu Untersuchungen, die bei der Mehrheitsgesellschaft eher nicht durchgeführt werden.“
Der Ort des Protests sei kein Zufall, sagt Brandt. Mit dem Einrichten von sogenannten Gefahrenorten, zu denen in Bremen auch das Bahnhofs- und Steintorviertel gehören, schaffe die Polizei Plätze, um legal anlassunabhängig kontrollieren zu dürfen. „Nicht weiß aussehende Menschen können so einfach überprüft werden, ohne dass die Polizei Rechenschaft ablegen muss“, kritisiert der Aktivist. Eine weitere Forderung von KOP ist daher die Aufhebung solcher Gefahrenorte in ihrem jetzigen Ausmaß. Eine Anfrage der Fraktion der Linken 2014 hatte gezeigt, dass ein großer Teil Bremens Gefahrengebiet ist, erinnert sich Brandt.
Herrnkind sieht in der Konzeption dieser Orte ebenfalls Probleme: „Aufgrund dieser Logik passiert es automatisch, dass Minderheiten überproportional kontrolliert werden.“ Dann handele es sich um ein strukturelles rassistisches Problem, nicht um Einzelfälle.
In einer Stellungnahme spricht sich die Polizei Bremen gegen Racial Profiling aus und betont, dass ihre Leute sensibilisiert seien, „bei ihrer Arbeits- und Vorgehensweise fair und unvoreingenommen mit den Bürgerinnen und Bürgern zu interagieren“. Zu dem Vorwurf der rassistischen Ermittlungspraxis heißt es weiter: „Bisher sind zu dieser Thematik keine Beschwerden bekannt oder zur Anzeige gebracht geworden.“
Etwaige strafrechtliche Ermittlungen würden unabhängig von der Polizei in der Dienststelle „Interne Ermittlungen“ beim Innensenator geführt. Eine unabhängige Beschwerdestelle für Opfer rassistischer Polizeigewalt, wie KOP sie fordert, sei aber nicht geplant. Dabei hatte sich Bremens Polizeipräsident Lutz Müller bereits nach einem Fachtag zu Racial Profiling 2015 dafür ausgesprochen.
Bremens Polizei sieht sich als Vorreiterin
Auch Herrnkind war damals als Vertreter für Amnesty International dabei. „Eine solche Untersuchungsstelle mit unabhängigen Ermittlern halte ich für eine logische Forderung“, sagt Herrnkind. Diese dürfe weder der Polizei noch dem Innenministerium unterstellt sein, denn „diskriminierte Gruppen haben generell kein großes Vertrauen in die Polizei“.
Trotz des Ausbleibens dieses Schritts spricht sich die Polizei Bremen in ihrer Stellungnahme bundesweit eine Vorreiterrolle zu. Ende 2017 sei eine Feldstudie initiiert worden, unter anderem zu den „gegebenenfalls unterschiedlichen Erwartungshaltungen einer auch kulturell heterogenen Bevölkerung an die polizeiliche Arbeit“. Betreut wurde diese durch den Integrationsbeauftragten und einen wissenschaftlichen Mitarbeiter der Polizei Bremen, sowie einen Experten aus dem Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaften der Universität. Die Ergebnisse würden momentan zusammengeführt.
Brandt und KOP sehen im Gegensatz zur Polizei jedoch sehr wohl ein akutes Problem. „Die Polizei sollte mal beweisen, dass Racial Profiling nicht passiert, nicht andersherum“, fordert Brandt. Bundesweit sperre sich die Polizei gegen die Anerkennung dieses strukturellen Problems. „Das wäre ja sonst rassistisch und mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.“ Ein vermeintliches Erfahrungswissen sei Grundlage für die anlassunabhängigen Kontrollen. „Was da eigentlich genau passiert, wird nicht dokumentiert“, kritisiert Brandt. KOP fordert daher auch mehr Transparenz, zum Beispiel durch Kontrollquittungen.
„Kein Freund, kein Helfer“, heißt es wohl bis dahin weiter – so der Vorwurf auf einem der Banner der Aktivist*innen an die Adresse der Polizei.